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Dr. Moshé Feldenkrais

Kindheit und Jugend

Feldenkrais wurde in 1904 im kleinen ukrainischen Dorf Slawuta geboren. Bereits in dieser Zeit war seine Familie Hass gegen Juden durch Kosaken, andere Volksgruppen, Glaubensrichtungen und die russischen Bolschewisten ausgesetzt. So lernte Feldenkrais früh, wie wichtig Selbstverteidigung ist, die er in seinem späteren Leben auf verschiedene Weise trainierte und praktizierte.

Der Weg in ein selbstbestimmtes Leben

​Um der drohenden Gefahr durch die Bolschewicken zu entkommen, willigte seine Mutter Sheindel schließlich ein,  dass der damals 13-jährige ohne Begleitung durch Angehörige mit Hilfe von Schmugglern quer durch Sumpfgebiete auf polnisches Territorium gelangte. Von dort kämpfte er sich zu Fuß mit einer wachsenden Schar an jungen Juden quer durch mehrere europäische Länder. Sie waren von der Idee geeint, ihren Teil zur  Gründung und des Aufbaus eines jüdischen Staates auf palästinensischem Territorium zu leisten, welches damals noch von England verwaltet wurde. Nach mehreren Monaten trafen die jungen Menschen mit viel Glück und dank der Unterstützung lokaler jüdischer Gemeinden in Rijeka ein und konnten mit einem Frachter nach Palästina weiterreisen.

Mosché Feldenkrais unterrichtet das Training in Amherst USA im Jahr 1980

Dr. Moshé Feldenkrais unterrichtet in einem Training

In Palästina angekommen verdingte sich Moshé zunächst als Tagelöhner auf Baustellen und schlief im Freien. Nebenbei erlernte er den Gebrauch von Schusswaffen und die Verteidigung mittels Jiu-Jitsu, was ihm in den folgenden Unruhen zwischen Arabern und Juden das Leben rettete.

Die Beschäftigung mit der Kampfkunst war für ihn ein wichtiger Schritt im Verständnis, wie eng Geist und Körper miteinander verbunden sind. Zudem schulte er dabei seine Beobachtungsgabe, die ihm bei der Entwicklung  seiner Methode noch wichtige Dienste leisten sollte.

In Folge einer schweren Krankheit und der Notwendigkeit keine körperlich schwere Arbeit zu tun, fand er Zeit eine Aufnahmeprüfung an einer Schule zu machen, um sein Abitur nachzuholen. Das Schulgeld verdiente er durch Nachhilfeunterricht. Nach dem Abitur fand er Arbeit als Landvermesser und hatte nicht nur ein gesichertes Einkommen, sondern war finanziell gesehen ein gemachter Mann. Diese neue Sicherheit, die andere nicht freiwillig aufgegeben hätten, ließ er schließlich zurück, um sich den Traum eines Hochschulstudiums zu erfüllen, dessen Finanzierung mangels eigener Finanzreserven nur durch einen Freund gesichert war.

1930 nahm er ein Ingenieurstudium in Paris auf, das er 1933 abschloss. Sein Geld für die Universität verdiente er sich durch Jiu-Jitsu Kurse. Danach begann er an der Sorbonne seine Promotion bei Irène Joliot-Curie, die wie Ihre Mutter Marie Curie zur Nobelpreisträgerin wurde. Im selben Jahr lernte Moshé Feldenkrais Jigoro Kano, den Erfinder der Kampfkunst »Judo« kennen, von dem er in den kommenden Jahren viel lernen sollte. Moshé Feldenkrais wurde der erste Europäer, der den schwarzen Gurt verliehen bekam. Eine besonders wichtige Erfahrung war für ihn in diesem Zusammenhang, dass nicht die bloße Muskelkraft, sondern das „WIE“, die vollkommene Beherrschung der Technik, entscheidend für den Erfolg war.

Im Juni 1940 erreichten deutsche Truppen Paris und Feldenkrais musste überstürzt die Stadt verlassen. Er reiste über Toulouse und schließlich auf abenteuerliche Weise mit 2 Koffern voll Geheimdokumenten über den kleinen französisch-baskischen Hafenort Saint-Jean de Luz nach England.

In England half Feldenkrais bei der Erforschung neuer Waffensysteme, vor allem der Sonartechnik. Nach Fliegerangriffen in Südengland wurde seine Abteilung nach Schottland verlegt. An seiner neuen Arbeitsstätte begeisterte er die Militärangehörigen von der Judo-Kampfkunst, sodass er bald gut besuchte Privatkurse unterrichtete.

Irgendwann bekam er in dieser Zeit große Schmerzen in jenem Knie, das er sich als junger Mann bei einem Sportunfall schwer verletzt hatte. Monate lang quälten ihn Schmerzen, sodass er kaum laufen konnte. Schließlich stürzte er auf sein gesundes Knie und erlitt dabei eine schmerzhafte Verletzung seines bis dahin gesunden Knies. Seine wissenschaftliche Neugierde wurde geweckt, als er feststellte, dass er plötzlich das Knie mit der alten Sportverletzung, welches ihn Monate lang beeinträchtigt hatte, plötzlich nahezu schmerzfrei gebrauchen konnte. Auch wenn die damalige medizinische Literatur nichts Wesentliches zu diesem Thema wusste, ahnte Feldenkrais, dass es zu einer neurologischen Neuorganisation gekommen sein musste, die es ihm erlaubte, sein schlechtes Knie auf eine neue, bessere Weise zu gebrauchen. Wie konnte man eine derartige Neuorganisation gezielt anstoßen? Dies konnte nur funktionieren, indem man Bewegung neu erlernte! Dies zu ergründen, wurde in den folgenden Jahrzehnten mehr und mehr seine Hauptlebensaufgabe. ​

Der Zweite Weltkrieg und ein prägendes Ereignis

Zurück in das neu gegründete Israel

Nach dem Krieg lebte Feldenkrais noch einige Zeit in London, wo er unter anderem die größte Liebe seines Lebens traf. Der frühe und tragische Tod dieser jungen Frau führte dazu, dass sich Feldenkrais trotz der erst kurz davor erworbenen englischen Staatsbürgerschaft nicht mehr an London gebunden fühlte. Als er dann durch einen Agenten des neu gegründeten Staates Israel für die Entwicklung von Militärgütern angeworben wurde, entschied er sich in seine alte Heimat zu gehen. So arbeitete Feldenkrais mehrere Jahre für das israelische Militär, entwickelte jedoch parallel dazu auch seine Methode weiter. 

In dieser Zeit konnte er immer wieder Menschen mit großen Einschränkungen helfen, wie z. B. einem fast bewegungsunfähigen Jungen, dem die Ärzte ein sehr kurzes Leben vorhergesagt hatten. Durch seine Arbeit blieb der Junge am Leben, konnte studieren und wurde letztlich 60 Jahre alt. Allen, die seine Hilfe suchten, konnte Feldenkrais jedoch nicht helfen und es brauchte Zeit bis Feldenkrais verstand, dass dies oft auch an ihm selbst lag. Er erkannte, dass er sich immer wieder neu und flexibel auf andere Menschen einstellen musste, damit er deren Probleme richtig verstehen und mit den Menschen Lösungen finden konnte. 

Ab 1954 begann er mit dem Unterricht seiner legendären Gruppenstunden in der Alexander-Yanai-Straße Nr. 3. Innerhalb einer Woche unterrichtete er dieselbe Lektion mehrfach und optimierte sie immer weiter. Die unzähligen Tonbandaufnahmen aus dieser Zeit wurden Jahrzehnte später transkribiert und sind heute als „Alexander-Yanai-Lektionen“ bekannt. 

Zu seinen Klienten bzw. Schülern, wie Feldenkrais sie nannte, gehörten mit den Jahren auch namhafte Persönlichkeiten, wie der Staatsgründer von Israel und langjähriger Ministerpräsident Ben-Gurion. Dieser litt an starken Rückenschmerzen, sodass er Teile seiner Regierungsgeschäfte zeitweise im Liegen ausführen musste. Feldenkrais befreite ihn nicht nur von seinen Schmerzen, sondern erfüllte ihm auch seinen Jugendtraum, einen Kopfstand machen zu können. Ben-Gurion war von der Feldenkrais-Methode derartig überzeugt, dass er am liebsten ein Institut für Moshé Feldenkrais ins Leben gerufen hätte, was sich jedoch als politisch nicht durchsetzbar erwies. 

Auch Feldenkrais hatte bereits mit dem Gedanken eines staatlich anerkannten Institutes geliebäugelt. Solange jedoch die nationale und internationale wissenschaftliche Anerkennung fehlte, war dies nicht durchsetzbar 

Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ben-Gurion macht seinen berühten Kopfstand, den er erst im hohen Alter erlernte

Ben-Gurion macht seinen berühmten Handstand, der in Israel die Zeitungen tagelang intensiv beschäftigt. 

Wissenschaftliche Anerkennung in den USA

Nachdem Feldenkrais einsehen musste, dass ihm in Israel auf absehbare Zeit keine breite wissenschaftliche Anerkennung zuteilwerden würde, entschloss er sich, ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben von Ben-Gurion, sein Glück in den USA zu suchen. Die Hoffnung war, reiche Amerikaner von dem Projekt zu überzeugen und so hinreichend Spenden für den Aufbau eines Institutes einzuwerben. Die Spendenbreitschaft reichte jedoch nicht aus, sodass Feldenkrais seinen Plan ändern musste. Da ihm die wissenschaftliche Anerkennung überaus wichtig war, verlegte sich Feldenkrais darauf, namhafte Ärzte von seiner Methode überzeugen zu wollen. Diese fand er im medizinischen Zentrum der New Yorker Universität. Dort erhielt er die Möglichkeit, zwei Wochen lang unter Aufsicht mehrerer Ärzte Einzel- und Gruppenunterricht an den Patienten vorzuführen. Die Ärzte waren offensichtlich nach dem Ende dieser zwei Wochen derartig überzeugt, dass im Abschlussbericht die Empfehlung zur weiteren Zusammenarbeit gegeben wird, um den Nutzen bei der Behandlung körperlich behinderter Menschen genauer zu verstehen. Voraussetzung sei dafür aber, dass das geplante Schulungszentrum von Dr. Feldenkrais Wirklichkeit würde. 

Streng genommen hatten die Ärzte den Ansatz der Feldenkrais Methode nicht verstanden, schienen sie doch zu glauben, dass die Methode nur Kranken helfen konnte, statt zu verstehen, dass die Methode für jedermann von Nutzen sein konnte. Feldenkrais war der Meinung, mehr wäre bei dieser Berufsgruppe nicht zu erwarten gewesen. Es frustrierte ihn jedoch, dass auch seine eigenen Landsleute den Wert seiner Methode nicht begreifen wollten. In diesem Zusammenhang äußerte er vor einem israelischen Journalisten die Sorge, dass ein Weiterleben seiner Lehre so nicht sichergestellt sei. 

In der Folge organisierte Ben-Gurion, der das Interview in der Zeitung gelesen haben muss, die Besichtigung eines Grundstücks mit einem kleinen Gebäude außerhalb von Tel Aviv. Moshé lehnte das Angebot ab, da er fand, dass diese Stätte zu weit von Tel Aviv entfernt lag. Eventuell wäre es nachträglich betrachtet klüger gewesen, dieses Angebot anzunehmen und es als ersten Schritt zu einem Institut zu begreifen, welches seinen Erwartungen entsprach. Auch ein weiteres ähnliches Angebot nutzte er später nicht. 

Ausbildung von Studenten

Für die ersten 13 Studenten beginnt 1968 in Tel Aviv die erste Feldenkrais Ausbildung. So liebevoll und einfühlsam Moshé Feldenkrais gegenüber seinen Schülern in der funktionalen Integration war, so garstig konnte er gegenüber seinen Studenten auftreten. Es kam vor, dass er sie als Idioten beschimpfte. Vieles mussten sie ohne verbale Erläuterung durch reines Zuschauen erlernen und verstehen. Feldenkrais war es sehr wichtig, dass die Schüler das selbstständige Denken erlernten und sich nicht an strenge Konzepte hielten. Sie mussten verstehen, dass die Herangehensweise an jeden Menschen individuell angepasst werden musste. 

Weitere Trainings begannen 1975 in San Francisco und 1980 im amerikanischen Amherst. 

Abschied von dieser Welt

Im ersten Jahr des Amherst Trainings war Feldenkrais noch höchst vital und provozierte einen Teil seiner Studenten mit seiner 50 Jahre jüngeren Freundin. Diese verließ in jedoch kurz vor Beginn des zweiten Trainingsjahres, sodass er im Sommer 1981 verletzt wirkte und nicht richtig bei sich selbst war. Nach dem Training in Amherst besuchte er alte Bekannte in der Schweiz. Zum Schock der besuchten Familie kam er im Rollstuhl an und war sehr schwach. Am nächsten Tag fanden die Gastgeber ihn in bewusstlosem Zustand vor und ließen ihn unverzüglich in die Züricher Universitätsklinik einliefern. Eine etliche Jahre zurückliegende Schädelverletzung hatte vermutlich nachgeblutet, wie die Ärzte damals annahmen. Nach der Operation verbrachte Moshé einige Zeit zur Rehabilitation bei seinen befreundeten Gastgebern, bis er gegen den Rat der Ärzte vorzeitig nach Tel Aviv zurückkehrte. 

Zwei Wochen nach seiner Rückkehr erlitt er den ersten von mehreren Schlaganfällen. Dank seiner Methode und mehrerer Schüler, die sich liebevoll um ihn kümmerten, erholte er sich jedes Mal sehr schnell. Dennoch fand das dritte Trainingsjahr in Amherst ohne den alten Meister statt, auch wenn er im Alltag in Israel wieder mit Klienten arbeitete. 

Mit dem Herbst 1983 wurde Moshé Feldenkrais immer schwächer und war im Frühling 1984 völlig abgemagert und weitestgehend bewegungsunfähig. Am 01.07.1984 starb Feldenkrais. 

Wen das Leben von Moshé Feldenkrais noch detaillierter interessiert, gewürzt unter anderem mit zahlreichen Anekdoten sei das Buch »Moshé Feldenkrais — der Mensch hinter der Methode« von Christian Buckard empfohlen.

(Berlinverlag, ISBN 978-3-8270-1238-8)

Abschließende Gedanken

Für Moshé Feldenkrais schien es in seinem Leben keine unüberwindbaren Hindernisse zu geben. Ob es sein Weg als dreizehnjähriger nach Palästina war oder wie er sich vom Hilfsarbeiter zum angesehen Wissenschaftler hocharbeitete. Er erlernte Selbstverteidigungstechniken bis zur Perfektion und entwickelte eine Methode, die nie dagewesene Möglichkeiten bot, körperliche und letztlich auch geistige Hürden zu überwinden. Wer sich mit seiner Methode einmal intensiv beschäftigt hat, den lassen seine Denkansätze nicht mehr los.

Weiterführende Links

Dr. Bob
Wittig

© 2025 Bob Wittig   –   Stand: 2025-11-06

Tel.: +49 0171-2193694

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